Sick-Building-Syndrom
Das Sick-Building-Syndrom wird seit Mitte der 70er Jahre beobachtet. Es steht im Zusammenhang mit der zunehmenden Innenraumabdichtung, dem Einbau raumlufttechnischer Anlagen und dem Einsatz neuartiger Bau- und Einrichtungsmaterialien.
Da es bisher keine repräsentativen epidemiologischen Studien zum SBS gibt, liegen keine zuverlässigen Daten zur Prävalenz vor.
Als Kriterium für das Vorliegen eines Sick-Building-Syndroms gilt, dass bei mindestens 20 – 25% der exponierten Personen gesundheitliche Beschwerden wie Reizungen der Augen-, Nasen- und Rachenschleimhaut, Kopfschmerzen, Atemwegsbeschwerden, allergische Reaktionen, Müdigkeit sowie Abwehrschwäche auftreten. Die Beschwerden klingen nach dem Verlassen der Räume üblicherweise ab, insbesondere bei längerer Abwesenheit oder über das Wochenende. Bei erneutem Aufenthalt nehmen die Symptome wieder deutlich zu.
Das Sick-Building-Syndrom tritt vor allem in Büros, gelegentlich auch in Schulen, Labors oder Krankenhäusern auf. Als Ursachen für das Sick-Building-Syndrom werden angesehen (D. Eis 1999):
• mangelnde Lüftung (vgl. aktuellen Leitwert für Kohlendioxid, UBA 2008)
• Innenraumbelastung durch Gase, Staub, flüchtige organische Verbindungen (die z.B. aus Farben und Teppichen stammen) und Biozide
• Schimmelpilze, Milben, Bakterien und deren Ausscheidungen, die oft aus schlecht gewarteteten oder falsch dimensionierten Klimaanlagen stammen (verkeimtes Befeuchterwasser, Filterüberladung).
Dazu kommen bürotypische Expositionen wie Bildschirmtätigkeit, Lärm, falsche raumklimatische Bedingungen oder Passivrauchen am Arbeitsplatz. Einige Betroffene berichten über so genannten Elektrosmog durch Computer, Fax- und Kopiergeräte als Auslöser.
Es bestehen deutliche Geschlechtsunterschiede (Frauen erkranken häufiger als Männer) und Unterschiede in der beruflichen Stellung (Angestellte erkranken öfter als Führungskräfte).
Noch ist ungeklärt, welche Rolle psychosoziale Variablen bei der Entstehung des SBS spielen. Es ist möglich, dass die auf die oben genannten Faktoren zurückgeführten Beschwerden durch psychischen Stress verstärkt oder auch erst zum Vorschein gebracht werden. Hier sei speziell das Mobbing am Arbeitsplatz erwähnt.
Die Studie „ProKlimA“ der Universität Jena von 1994 bis 2000 konnte neue Erkenntnisse zu den Ursachen des SBS bringen: Die Forschergruppe befragte über 5000 in Büros arbeitende Personen und führte Messungen an 1.500 Arbeitsplätzen durch. Herausgefunden wurde, dass psychosoziale Faktoren eine größere Rolle spielen als das Raumklima. Zwar bewerteten die Personen, die in Räumen mit Klimaanlagen arbeiten ihre Befindlichkeit schlechter als Personen in Räumen ohne Klimaanlage, das gemessene Raumklima ist in klimatisierten Räumen jedoch besser.
Arbeitsbelastungen und –anforderungen tragen dieser Studie zufolge mehr zu Befindlichkeitsstörungen am Arbeitsplatz bei als bisher angenommen.
Gelegentlich wird das Sick-Building-Syndrom mit der so genannten "Building Related Illness" (BRI) verwechselt. Sowohl das Sick-Building-Syndrom, als auch das BRI gehören zu den gebäudebezogenen Gesundheitsstörungen. Beim BRI handelt es sich aber um Beschwerden, die von Einzelpersonen berichtet und auf wohlbekannte Ursachen wie z. B. Legionellen oder Schimmelpilze ("Befeuchterfieber") zurückgeführt werden können. Beim SBS dagegen handelt es sich um ein kollektives Phänomen mit meist komplexen Ursachen.
Zur Abklärung eines Sick-Building-Syndroms sollte die fachliche Hilfe einer umweltmedizinischen Beratungsstelle herangezogen werden. Deren Vorgehensweise beschreibt der Umweltmediziner Dr. Andreas Beyer (1999). Nach Klärung der Situation am Arbeitsplatz, einschließlich psychologischer Komponenten und der Situation im häuslichen Bereich, wird geprüft, ob es sich um ein individuelles Problem oder um ein Gruppenphänomen handelt. Hierfür ist die Bereitschaft des Arbeitgebers erforderlich, seine Einrichtung durch eine umweltmedizinische Beratungsstelle begehen und befragen zu lassen.
Die Gespräche mit Betroffenen ("Welche Beschwerden treten wann und wo auf?, welche Tätigkeiten übt der Betroffene aus?, haben sich Bedingungen am Arbeitsplatz kürzlich geändert?, wie sieht das Betriebsklima aus?") haben Vorrang vor einem ungezielten umweltanalytischen Messprogramm. Erst bei konkretem Verdacht auf mögliche Ursachen (Ausdünstungen, Klimaanlagen, raumklimatische Verhältnisse usw.) wird versucht, diesen durch Messungen zu objektivieren.
Sick Building Syndrom
Quelle: www.allum.de
Therapie
Da es sich bei dem Sick-Building-Syndrom nicht um ein klar definiertes Krankheitsbild handelt, gibt es keine spezifische Behandlung. Neben der Linderung der Symptome ist die einzige Therapie, die Ursachen der Beschwerden zu beseitigen, zum Beispiel indem eine bessere Belüftung oder ein Luftfilter eingebaut wird. Da die Psyche auch einen Einfluss auf die Krankheit hat, kann manchen Betroffenen eine Psychotherapie helfen. Kurse zur Stressbewältigung können ebenfalls sinnvoll für manche Betroffenen sein.
Die Adressen umweltmedizinischer Beratungsstellen und Ambulanzen finden Sie hier.
Autoren: Dr. M. Otto, Prof. K. E. von Mühlendahl
Stand: Dezember 2008
Nächste Aktualisierung: Dezember 2009
Quellen und weiterführende Literatur
Ad-hoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte der Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes und der Obersten Landesgesundheitsbehörden (2008): Gesundheitliche Bewertung von Kohlendioxid in der Innenraumluft. Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2008 •Band 51 S. 1358–1369
Autorenkollektiv (1999): Dokumentation zum Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit. Kap.: 2.1.6 Umweltassoziierte Gesundheitsstörungen im engeren Sinne ("Umweltsyndrome"). S. 34-35. Hrsg.: Bundesministerium für Gesundheit, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Bonn.
Beyer, A. (1999): Das Sick-Building-Syndrom - Symptome, Ursachen, Heilungs- und Handlungsmöglichkeiten.
www2.tu-berlin.de (zuletzt aufgerufen im Dez. 2007)
Bischof, W., S. Brasche, M. Bullinger, U. Frick, H. Gebhardt, V. Herzog et al. (1998): Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Befindlichkeit in Bürogebäuden. Das ProKlimA Projekt. Allergologie 21 (5); 192-197
Bischof, W., Wiesmüller, G.A. (2007): Das Sick-Building-Syndrome (SBS) und die Ergebnisse der ProKlimA-Studie. In: Umweltmedizin in Forschung und Praxis 12 (1), S. 23-42.
Bullinger, M. (2002): Befindlichkeitsstörungen.. In: Handbuch der Umweltmedizin. Hrsg. H.-E. Wichmann, H.-W. Schlipköter, G. Fülgraff, Ecomed Verlag
Eis, D. (1999): Umweltbezogene Gesundheitsstörungen – Versuch einer Annäherung anhand ausgewählter "Umweltsyndrome". In: Kinderarzt und Umwelt, Jahrbuch 1997-1999. Hrsg.: K. E. von Mühlendahl, M. Otto, S. Schmidt. Alete - Wissenschaftlicher Dienst, München
Environmental health center (2003): Sick Building Syndrome. http://www.nsc.org/ehc/indoor/sbs.htm EPA (2007): Indoor Air Fact Sheet (4) - Sick Building Syndrome www.epa.gov/iaq/pubs/sbs.html Fiedler, K. (1998): Wohnen und Gesundheit. Gesundheitswesen 60: 656-660. (Als weiterführende Lektüre für den interessierten Laien gut geeignet)
Hodgson, M. (2000): Sick Building Syndrome. Occupational Medicine: State of the Art Reviews – 15 (3): 571-585
Kröling, P. (1998): Sick Building Syndrom. Symptome, Ursachen, und Prophylaxe gebäudebedingter Gesundheitsstörungen. Allergologie 21 (5); 180-191.
Moriske, H.-J. (1995): Das Sick-Building-Syndrom (Tagungsbericht, 2. WaBoLu-Innenraumtage). Bundesgesundhbl. 38 (8): 311-312
Seifert, B. (1991): Das Sick Building Syndrom. Öffentliches Gesundheitswesen 53: 376-382
Umweltbundesamt (2007): Krank in einem "kranken" Gebäude - das Sick-Building-Syndrom.
www.umweltbundesamt.de/gesundheit/effekte/sick.htm
Wiesmüller, G. A. et al. (2001): Syndrome in der Umweltmedizin: Varianten von Somatisierungsstörungen? Fortschr Neurol Psychiat 69: 175-188
Wiesmüller, G. A. und W. Bischof (2002): Fragebögen bei SBS-Verdacht. In: Praktische Umweltmedizin. Hrsg. A. Beyer und D. Eis. Springer Loseblatt Systeme, Springer Verlag. Folgelieferung 2/2002, Sektion 11.05